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Nach Methadon-Tod von Kind Chantal auch Hauptverfahren gegen Pflegemutter eröffnet

Das OLG Hamburg hat im Verfahren des im Januar 2012 verstorbenen Kindes Chantal entschieden, dass die Anklage gegen die Pflegemutter ohne Einschränkung zur Hauptverhandlung zuzulassen ist, da die Pflegemutter der fahrlässigen Tötung und der Verletzung ihrer Fürsorge- und Erziehungspflicht hinreichend verdächtig sei.

Gegen den Pflegevater wurde bereits das Hauptverfahren eröffnet, da ihn das Landgericht für hinreichend verdächtig erachtete, durch Unterlassen den Tod Chantals fahrlässig verursacht zu haben.

Chantal habe am Vorabend des 16.01.2012 über Unwohlsein geklagt und sich übergeben.
Dies habe der Pflegevater gewusst. Am Morgen des 16.01.2012 habe er Chantal nicht, wie gewohnt, um 6.30 Uhr wecken können, Chantal sei auch bis 11.30 Uhr nicht aufgestanden oder habe mit dem Angeklagten gesprochen. Trotzdem habe er keine Hilfe geholt, sondern habe die Wohnung verlassen, obwohl er gewusst habe, dass auch die Pflegemutter erst am Nachmittag wieder in die Wohnung zurückkehren werde. Chantal habe am späten Abend des 15.01.2012 eine von den Pflegeeltern ungesichert liegen gelassene Methadontablette eingenommen in dem Glauben, es handele sich hierbei um ein Medikament gegen ihre Übelkeit.
Infolge einer Methadonintoxikation sei sie am Nachmittag des 16.01.2012 verstorben. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätte Chantal gerettet werden können, wenn der Pflegevater medizinische Hilfe geholt hätte, wozu er als Pflegevater rechtlich verpflichtet gewesen sei. Hinsichtlich der Pflegemutter hat das Landgericht eine Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt. Da nicht habe ermittelt werden können, wer die Tablette ungesichert in der Wohnung der Pflegeeltern habe liegen lassen, müsse zugunsten der Pflegemutter davon ausgegangen werden, dass nicht sie diejenige gewesen sei.

Das OLG Hamburg hat jetzt auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin den Beschluss des LG Hamburg aufgehoben, soweit das Landgericht in diesem Beschluss die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen die Pflegemutter abgelehnt hatte.

Anders als das Landgericht geht das Oberlandesgericht davon aus, dass dahinstehen könne, unter welchen konkreten Umständen die aus dem Vorrat der Pflegeeltern stammende Methadontablette in den Zugriffsbereich Chantals gelangt sei. Auch wenn die Angeschuldigten die Tabletten gemeinsam verwahrt haben sollten, so hätte die Pflegemutter sicherstellen müssen, dass alle Tabletten sicher gelagert würden. Als Pflegemutter habe sie auch dafür sorgen müssen, dass ihr Lebensgefährte seine Tabletten sicher verwahrt. Wenn ihr dies nicht möglich gewesen sein sollte, hätte sie darauf hinwirken müssen, dass er sich beim Arzt substituieren lässt.

Das Oberlandesgericht geht davon aus, dass sich die Einlassung der Angeschuldigten, dass sie die Methadontabletten ausschließlich in einer für die Kinder nicht zugänglichen Garage aufbewahrt hätten, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als bloße Schutzbehauptung erweisen wird. Die Pflegemutter werde auch nicht dadurch entlastet, dass das Jugendamt nicht gehandelt habe, obwohl es für die Lebensumstände der Pflegefamilie möglicherweise hätte sensibilisiert sein müssen.

Im Übrigen hält das Oberlandesgericht – anders als das Landgericht – die Pflegemutter auch der Verletzung ihrer Fürsorge- und Erziehungspflicht gemäß § 171 StGB für hinreichend verdächtig: In der Wohnung der Pflegeeltern seien Waffen und hochgiftige Medikamente ungesichert gelagert worden. Chantal sei zumindest zeitweise nicht witterungsgemäß bekleidet, die Wohnung sei grenzwertig verwahrlost gewesen. Diese Vielzahl und das Ausmaß der Pflichtverletzungen, die nach Zeugenaussagen schon längere Zeit bestanden hätten, lassen nach Auffassung des Oberlandesgerichts die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht als „gröblich“ erscheinen. Die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht habe auch schon allein durch die unzureichende Sicherung und Aufbewahrung der gefährlichen Medikamente und Waffen mit hinreichender Wahrscheinlich zu einer erheblichen Gefährdung der physischen und psychischen Entwicklung der Kinder geführt.

Vorinstanz LG Hamburg, Beschl. v. 09.04.2013 – 606 KLs 19/12

Quelle: Juris GmbH

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