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Verkehrsstrafrecht

Drogenfahrt trotz Medical Cannabis? AG Hamburg-Wandsbek bestätigt strenge Anforderungen an die Medikamentenklausel (§ 24a Abs. 4 StVG)

In seinem Urteil vom 24.09.2025 (AG Hamburg-Wandsbek, Az. 726b OWi 58/25) befasst sich das Amtsgericht mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich ein Betroffener bei einer THC-Drogenfahrt erfolgreich auf die sogenannte Medikamentenklausel des § 24a Abs. 4 StVG berufen kann. 

Der Betroffene war am 08.04.2025 gegen 02:40 Uhr in Hamburg mit einem Pkw unterwegs, wobei eine Blutprobe später eine THC-Konzentration von 12 ng/ml ergab – deutlich über dem gesetzlichen Grenzwert von 3,5 ng/ml. Er räumte ein, am Vorabend gegen 23:00 Uhr einen Joint konsumiert zu haben. Die toxikologischen Feststellungen sowie die polizeilichen Angaben bestätigten dies.

Zur Entlastung führte der Betroffene an, er verfüge über eine ärztliche Erlaubnis zum Konsum von medizinischem Cannabis. Hierzu legte er ein Privatrezept von einer Ärztin sowie einen sogenannten „Cannabis-Ausweis“ eines weiteren Arztes vor. Jedoch stellte das Gericht fest, dass das Privatrezept auf den 09.04.2025 datiert war – also erst nach der Tat. Der „Cannabis-Ausweis“ erfüllte zudem nicht die erforderlichen Kriterien einer Verschreibung im Sinne des Arzneimittelrechts: Es fehlten Ausstellungsdatum, Gültigkeitsdauer, Angaben zur Gesamtmenge sowie eine individualisierte Diagnose.

Entscheidend war zudem, dass der Betroffene keinen persönlichen Arztkontakt hatte. Er war lediglich mittels Internet-Chat und Videotelefonie mit dem ausstellenden Arzt in Verbindung gewesen. Das Gericht betont, dass eine Verschreibung zur Behandlung eines konkreten Krankheitsfalls grundsätzlich eine Anamnese und körperliche Untersuchung voraussetzt. Eine rein digitale Fernbehandlung ohne körperliche Untersuchung sei nach Sinn und Zweck der Medikamentenklausel nicht ausreichend, insbesondere angesichts des dokumentierten Missbrauchspotenzials im Zusammenhang mit Cannabisverschreibungen.

Die Medikamentenklausel des § 24a Abs. 4 StVG findet daher keine Anwendung. Der Betroffene hätte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen müssen, dass die THC-Werte nach nur wenigen Stunden nicht unter den Grenzwert sinken würden. Das Gericht verweist hierzu auch auf Empfehlungen verkehrspsychologischer Fachverbände, die Wartezeiten von 12–24 Stunden zwischen Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr als erforderlich ansehen.

Auf dieser Grundlage verurteilte das Amtsgericht den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung berauschender Mittel zu einer Geldbuße von 500 €. Zudem verhängte es – entsprechend dem Regelfall – ein Fahrverbot von einem Monat. Da der Betroffene bisher nicht einschlägig im Bereich der Cannabis-Drogenfahrten aufgefallen war, sah das Gericht keine Veranlassung, die Buße zu erhöhen.

Die Entscheidung des AG Hamburg-Wandsbek verdeutlicht, dass der Gesetzgeber und die Rechtsprechung angesichts der Liberalisierung von Cannabis und der medizinischen Anwendung weiterhin auf eine strikte Einzelfallprüfung setzen. Eine wirksame Berufung auf die Medikamentenklausel setzt zwingend eine ordnungsgemäße Verschreibung, eine konkrete Diagnose, eine eindeutige Dosierungsanweisung und insbesondere den persönlichen Kontakt mit dem verschreibenden Arzt voraus. Ohne diese Voraussetzungen bleibt die Medikamentenklausel versperrt – selbst dann, wenn ein Patient formell über medizinisches Cannabis verfügt.

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