Die zunehmende Nutzung von E-Scootern im Straßenverkehr wirft nicht nur praktische, sondern auch rechtliche Fragen auf – insbesondere im Hinblick auf die Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 StGB. Ein aktuelles Beispiel liefert das Urteil des OLG Braunschweig vom 30. November 2023 (Az.: 1 ORs 33/23), das sich mit der Frage beschäftigte, ob das Führen von E-Scootern im alkoholisierten Zustand automatisch zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen kann.
Grenzwerte und Fahruntüchtigkeit
Bisher existieren nur vereinzelte wissenschaftliche Untersuchungen zur Wirkung von Alkohol auf die Fahrsicherheit von E-Scooter-Fahrenden. Studien zeigen zwar relative Leistungseinbußen ab bestimmten Blutalkoholkonzentrationen (BAK), jedoch fehlt eine absolut verbindliche Grenze, ab wann das sichere Führen eines E-Scooters nicht mehr möglich ist. Im Gegensatz zu Forschungsergebnissen zu Kraftwagen, Krafträdern oder Fahrrädern existieren bislang keine gesicherten Vergleichsstudien, die die absolute Fahruntüchtigkeit bei E-Scootern eindeutig bestimmen.
So zeigt eine Auswertung von 252 E-Scooter-Fahrten mit Alkoholverdacht im Jahr 2022/2023 (Wudtke/Dokter/Talarico et al., Blutalkohol 2025) unter anderem:
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80,5 % der Fahrer wiesen eine BAK von mindestens 1,1 ‰ auf,
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35,7 % sogar von mindestens 1,6 ‰,
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gleichzeitig wurde bei 47,2 % die Bewegung und Koordination als „unauffällig“ und bei 35,7 % die Fahrweise als „sicher“ bewertet.
Diese Ergebnisse lassen Zweifel daran aufkommen, dass ein genereller Grenzwert von 1,1 ‰ eine sichere Fahruntüchtigkeit garantiert.
Vergleich mit anderen Fahrzeugen
Ein direkter Vergleich von E-Scootern mit Pkw, Motorrädern, Mofas oder Fahrrädern scheidet aus, da sich E-Scooter in Bauweise, Fahrdynamik, Lenkverhalten, Geschwindigkeit und Gefährdungspotenzial wesentlich unterscheiden. So sind E-Scooter etwa auf 20 km/h gedrosselt, haben eine bessere Rundumsicht und erlauben im Notfall ein Abspringen, während sie gleichzeitig weniger komplex zu steuern sind. Im Unfallgeschehen treten bei E-Scootern überdurchschnittlich viele Alleinunfälle auf, was die Gefährdung Dritter verringert.
Zudem zeigen statistische Daten, dass die Zahl der Todesfälle pro 1000 Unfälle bei E-Scootern (2,33) niedriger ist als bei Fahrrädern (3,61) oder Pedelecs (7,95) (Statistisches Bundesamt, 2023).
§ 69 StGB und fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge
Nach dem Wortlaut, der Gesetzesgeschichte und der Systematik von § 69 StGB ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nur auf fahrerlaubnispflichtige Kraftfahrzeuge beschränkt. Historisch zielte der Gesetzgeber mit § 42m StGB a.F. (Vorgänger von § 69 StGB) darauf ab, klare Fälle der Ungeeignetheit für Kraftfahrzeuge zu erfassen – Fahrräder oder andere fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge waren bewusst ausgenommen. E-Scooter fallen in dieser Betrachtung in die gleiche Kategorie wie Fahrräder oder Pedelecs.
Die aktuelle Rechtsprechung ist zwar uneinheitlich. Während einige Obergerichte die Anwendung von
§ 69 StGB auf E-Scooter grundsätzlich bejahen (BayObLG, BeckRS 2020, 21388; OLG Hamm, BeckRS 2025, 1706), stützen andere Gerichte die Möglichkeit, die Indizwirkung zu widerlegen, gerade auf die Verwendung eines E-Scooters (LG Leipzig, BeckRS 2022, 22219; LG Chemnitz, BeckRS 2022, 22233).
Fazit
Die bloße Trunkenheitsfahrt auf einem E-Scooter begründet nach derzeitigem Stand nicht automatisch die Annahme, dass die Person auch für das Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs ungeeignet ist. Das Gefährdungspotenzial von E-Scootern entspricht weitgehend dem von Fahrrädern und Pedelecs, weshalb § 69 StGB auf diese Fahrzeuge im engeren Sinne nicht angewendet werden sollte.
Aber: Meine Erfahrung zeigt leider, dass Staatsanwaltschaften und Gerichte aber nicht differenzieren, sondern bis heute bei Vorliegen der Voraussetzungen die Fahrerlaubnis entziehen.
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