LG Potsdam: Kein Strafbefehl ohne echten Schuldnachweis
Das Landgericht Potsdam hat mit Beschluss vom 2. April 2025 (25 Qs 8/25) entschieden, dass ein Strafbefehl wegen fahrlässiger Brandstiftung nicht erlassen werden darf, wenn schon im Ermittlungsverfahren feststeht, dass der Tatnachweis in einer Hauptverhandlung nicht gelingen würde. Damit stärkt das Gericht den Grundsatz: Ohne hinreichenden Tatverdacht kein Strafbefehl.
Hintergrund: Brand nach Silvesterfeier
Der Fall begann mit einer Silvesterfeier in einem gemieteten Reihenhaus. Der Gastgeber und seine Gäste zündeten Raketen und Feuerfontänen im Garten. Kurz darauf brannte das Nachbarhaus ab – samt Terrasse, Gartenmöbeln und Propangasflaschen. Die Staatsanwaltschaft war überzeugt: Der Brand musste von einem Feuerwerkskörper stammen, der vom Grundstück des Gastgebers ausging.
Daraufhin beantragte sie einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Brandstiftung (§ 306d Abs. 1 StGB). Der Beschuldigte habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, indem er das Abbrennen von Feuerwerk im Garten erlaubte. Das Amtsgericht Zossen lehnte den Strafbefehl jedoch ab – und das Landgericht bestätigte diese Entscheidung.
Kein hinreichender Tatverdacht
Ein Strafbefehl darf nur erlassen werden, wenn ein sogenannter hinreichender Tatverdacht besteht. Das heißt: Eine Verurteilung muss nach der Beweislage wahrscheinlicher als ein Freispruch sein. Hier sah das Gericht genau das nicht gegeben.
Der Sachverständige konnte keine Zündquelle eindeutig zuordnen. Es war weder klar, von welchem Feuerwerkskörper das Feuer ausging, noch wer ihn abgefeuert hatte. Außerdem herrschte in der Tatnacht starker Wind, und auch andere Nachbarn zündeten Raketen. Damit blieb offen, ob der Brand wirklich vom Grundstück des Beschuldigten ausging.
Keine Sorgfaltspflichtverletzung beim Silvesterfeuerwerk
Das Gericht stellte außerdem klar: Wer an Silvester in seinem Garten ordnungsgemäß zugelassenes Feuerwerk abbrennt, handelt grundsätzlich nicht sorgfaltswidrig. Das sei gesellschaftlich üblich und vom Gesetz erlaubt – solange keine besonderen Verbote gelten (§ 23 Abs. 1 und 2 der 1. SprengV).
Auch die Tatsache, dass die Nachbarn verreist waren, ändere nichts. Denn das Risiko, dass bei erlaubter Pyrotechnik ein Brand entsteht, sei ein sozialadäquates Risiko, das der Gesetzgeber bewusst in Kauf nehme. Eine Sorgfaltspflichtverletzung könne man dem Beschuldigten daher nicht vorwerfen.
Wichtige Aussage für das Strafbefehlsverfahren
Besonders betont das Landgericht Potsdam, dass das Strafbefehlssystem keine Abkürzung zum Schuldspruch ist. Es soll die Justiz entlasten, aber nicht den Schuldnachweis ersetzen. Der herabgesetzte Beweismaßstab – also der hinreichende Tatverdacht – gilt nur, solange man davon ausgehen kann, dass die Schuld in einer Hauptverhandlung zweifelsfrei feststellbar wäre. Wenn das schon im Vorfeld ausgeschlossen ist, darf kein Strafbefehl erlassen werden.
Fazit
Der Beschluss zeigt: Auch im Strafbefehlsverfahren gilt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“. Ein bloßer Verdacht reicht nicht. Ohne klare Beweise für die Ursache eines Brandes darf kein Strafbefehl wegen fahrlässiger Brandstiftung ergehen – selbst wenn der Verdacht naheliegt.
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