Im Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 7. März 2024 (Az. 2 StR 193/23) hatte der Senat über die Zulässigkeit der zwangsweisen Entsperrung eines Mobiltelefons durch den Fingerabdruck des Beschuldigten zu entscheiden.
Die Verteidigung des Angeklagten wandte sich gegen die Verwertung von Bilddateien auf zwei Mobiltelefonen, die im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung sichergestellt und später zur Verurteilung herangezogen wurden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mit dieser Rüge eingehend beschäftigt und sie als unbegründet verworfen. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob die zwangsweise Entsperrung der Mobiltelefone durch Nutzung des Fingerabdrucks des Angeklagten ohne richterliche Anordnung ein Beweisverwertungsverbot nach sich zieht. Diese Frage hat der Senat verneint.
Ausgangspunkt war eine Wohnungsdurchsuchung beim Angeklagten, die auf einem richterlichen Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 11. März 2021 beruhte. Gegenstand des Verfahrens war der Verdacht, dass der Angeklagte gegen ein gegen ihn verhängtes Berufsverbot nach § 145c StGB verstoßen hatte. Der Durchsuchungsbeschluss erstreckte sich auf die Wohnräume und die Person des Angeklagten und hatte zum Ziel, Mobiltelefone aufzufinden, über die möglicherweise verbotene Kontakte zu betreuten Personen hergestellt wurden.
Am 12. März 2021 wurde die Durchsuchung von der Polizei durchgeführt. Dabei wurden zwei Mobiltelefone aufgefunden. Der Angeklagte verweigerte die freiwillige Entsperrung. Daraufhin ordnete ein anwesender Polizeibeamter an, den rechten Zeigefinger des Angeklagten gegen seinen Willen auf den Fingerabdrucksensor der Geräte zu legen, um diese zu entsperren. Die Geräte konnten so erfolgreich geöffnet und anschließend vom ebenfalls anwesenden Datensicherer ausgewertet werden. Bei dieser Auswertung fanden sich kinderpornographische Lichtbilder, die später zur Verurteilung führten.
Der Verteidiger des Angeklagten widersprach zu Beginn der Hauptverhandlung der Verwertung dieser Daten. Er machte geltend, die Maßnahme sei rechtswidrig gewesen und verletze das allgemeine Persönlichkeitsrecht, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie das Verbot des Zwanges zur Selbstbelastung (nemo tenetur). Es gebe keine Rechtsgrundlage für eine zwangsweise Mitwirkung des Beschuldigten zur Entsperrung eines digitalen Geräts durch seinen Fingerabdruck. Diese Maßnahme sei weder von § 81b StPO noch von einer anderen Vorschrift gedeckt, insbesondere nicht ohne richterliche Anordnung.
Die Strafkammer wies diesen Einwand zurück und ordnete die Inaugenscheinnahme der Bilddateien an. Auch der BGH folgte im Revisionsverfahren dieser Bewertung. Der Senat entschied, dass die Maßnahme rechtlich zulässig war und kein Beweisverwertungsverbot besteht.
Maßgeblich für die Entscheidung war § 81b Abs. 1 Satz 1 StPO, der es erlaubt, erkennungsdienstliche Maßnahmen wie die Abnahme von Fingerabdrücken durchzuführen, soweit dies für die Zwecke des Strafverfahrens erforderlich ist. Der BGH stellt klar, dass auch die zwangsweise Nutzung eines Fingerabdrucks zur Entsperrung eines Mobiltelefons unter diesen Anwendungsbereich fällt. Die Entsperrung sei als technisch-physischer Vorgang zu verstehen, nicht als willensgesteuerte Handlung. Damit greife nicht das Recht auf Aussageverweigerung oder Selbstbelastungsfreiheit. Eine Schutzwirkung des nemo-tenetur-Grundsatzes besteht nach Auffassung des Gerichts nur bei geistig-persönlicher Mitwirkungshandlung des Beschuldigten – nicht aber bei der rein körperlichen Nutzung des Körpers als „Beweismittel“.
Der BGH verneint auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Zwar sei der Zugriff auf gespeicherte Daten ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieser sei jedoch auf gesetzlicher Grundlage erfolgt, diente einem legitimen Ermittlungsziel (der Aufklärung einer Straftat), war geeignet und erforderlich und wies keine Unverhältnismäßigkeit auf. Insbesondere wog das Gewicht des Tatverdachts – Besitz von kinderpornographischem Material – schwer. Zudem war die Maßnahme von geringer körperlicher Intensität und zeitlich eng begrenzt. Auch sei der Zugriff nicht heimlich oder verdeckt erfolgt, sondern im Rahmen einer offen geführten Maßnahme mit Bekanntgabe an den Beschuldigten.
Die vom Verteidiger vertretene Auffassung, dass nur eine ausdrückliche richterliche Anordnung eine solche Zwangsmaßnahme rechtfertigen könne, weist der BGH zurück. § 81b StPO ermächtigt die Polizei ausdrücklich zur eigenständigen Anordnung solcher Maßnahmen. Eine richterliche Entscheidung ist – anders als bei der Durchsuchung selbst (§ 105 StPO) oder bei Eingriffen in den Kernbereich privater Lebensgestaltung – nicht erforderlich. Dass die Maßnahme ohne körperliche Gewalt gegenüber dem Widerstand des Angeklagten durchgeführt wurde, ändert daran nichts.
Ein Beweisverwertungsverbot ergibt sich nach Auffassung des Gerichts auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat wiederholt betont, dass Beweise nur dann unverwertbar sind, wenn ein besonders schwerwiegender Verstoß gegen Verfahrensrechte oder Grundrechte des Beschuldigten vorliegt. Ein solcher Verstoß sei hier nicht gegeben. Auch die Tatsache, dass die Maßnahme ohne Vorwarnung gegenüber dem Verteidiger durchgeführt wurde, führe zu keiner anderen Bewertung. Zwar wurde der Verteidiger nach Durchführung der Maßnahme telefonisch kontaktiert, doch lag in der Maßnahme selbst kein Verstoß gegen Verteidigungsrechte oder eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Im Ergebnis hält der BGH fest, dass die zwangsweise Entsperrung des Mobiltelefons durch Nutzung des Fingerabdrucks des Angeklagten zulässig war. Die so gewonnenen Beweise unterliegen keinem Verwertungsverbot. Die vom Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung im Fall II.2 steht daher auf einer tragfähigen rechtlichen Grundlage. Die Verfahrensrüge, die auf die Unverwertbarkeit der Inhalte der Mobiltelefone abzielte, konnte in der Revision keinen Erfolg haben.
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