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Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages

A. Tenor der Stellungnahme

Der Deutsche Richterbund begrüßt grundsätzlich das Anliegen des Gesetzentwurfs, die Konkurrenz der Strafverfolgungszuständigkeit des Bundes zu derjenigen der Länder durch eine Kompetenzverlagerung der Prüfungsbefugnis auf den Bund deutlicher zu regeln. Begrüßt wird auch die Streichung des Erfordernisses der „Bestimmung“ in den Evokationsregelungen des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4b GVG.

Nicht realistisch erscheint allerdings die im Gesetzentwurf geäußerte Erwartung, dass die Gesetzesänderung nur zu einer geringen Mehrbelastung des Generalbundesanwalts bei entsprechender Entlastung der Landesstaatsanwaltschaften führen wird. Es entsteht die Gefahr eines nicht abschätzbaren Doppel- und Mehraufwands. Der Generalbundesanwalt wird in einer Vielzahl von Fällen selbst weitere Ermittlungen anstellen müssen, um die Voraussetzungen für das – ausnahmsweise – Vorliegen einer Bundeszuständigkeit abschließend und zuverlässig beantworten zu können.

Für eine Aufnahme rassistischer oder fremdenfeindlicher Beweggründe in die Strafzumessungsvorschriften des StGB besteht aus Sicht der Justizpraxis zwar kein zwingender Grund. Der Deutsche Richterbund begrüßt es dennoch, dass diese Motive ausdrücklich in § 46 StGB aufgenommen werden sollen, um damit ein rechtspolitisches Zeichen gegen fremdenfeindliche Übergriffe zu setzen.

B. Bewertung im Einzelnen

Erweiterung der Zuständigkeiten des Generalbundesanwalts
Der Deutsche Richterbund hält das Anliegen des Gesetzentwurfs für gerechtfertigt, mit der Erweiterung der Zuständigkeiten des Generalbundesanwalts sicherzustellen, dass diesem die seine Zuständigkeit betreffenden Verfahren von den Staatsanwaltschaften der Länder frühzeitig vorgelegt werden. Folgerichtig damit zusammen hängt auch die Streichung des Erfordernisses der „Bestimmung“ in den Evokationsregelungen des § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4b GVG, die zur Folge hat, dass die Tat zur Beeinträchtigung oder Gefährdung der im Gesetz genannten Rechtsgüter lediglich geeignet sein muss. Dadurch können auch Sachverhalte erfasst werden, in denen das im Regelfall selten nachweisbare subjektive Element der Bestimmung einer Tat nicht belegbar ist.

Auch dem weiteren Vorschlag, die in § 120 Abs. 2 GVG zum Ausdruck kommende Staatsschutzbedeutung („besondere Bedeutung“) mit Regelbeispielen exakter zu beschreiben, ist zuzustimmen. Die besondere Staatsschutzbedeutung, aufgrund derer eine Zuständigkeitsveränderung möglich sein soll, ist nur bei Taten mit besonderer Staatsschutzdimension gegeben. Durch diese Abgrenzung soll klargestellt werden, dass die Bundeszuständigkeit nur bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen der inneren oder äußeren Sicherheit gegeben sein kann und soll. Eine länderübergreifende Begehungsweise oder die außergewöhnliche Auswirkung eines Staatsschutzdelikts kann diese besondere Staatsschutzbedeutung im Einzelfall begründen, muss es indes nicht in jedem Fall. Liegen die Schwierigkeiten lediglich allgemein in der Fallbearbeitung, kann dies kaum die Bedeutungsschwelle zur Bundeszuständigkeit überschreiten. Immerhin ist der Versuch, die Staatsschutzbedeutung in diesem Sinne mit Regelbeispielen zu konkretisieren, zu begrüßen. Auf diese Weise unternimmt der Gesetzgeber einen ersten Schritt, um den Auftrag des Parlamentarischen Rates zur Definition des Staatsschutzbegriffs in Art. 96 Abs. 5 GG zu erfüllen.

Den Optimismus, mit dem der Referentenentwurf die Auswirkungen der Gesetzesnovelle auf die Belastung des Generalbundesanwalts sieht, teilt der Deutsche Richterbund hingegen nicht. Soll die geplante Gesetzesänderung effektive Wirkung zeigen und sich nicht nur im Bereich der symbolischen Gesetzgebung bewegen, liegt es auf der Hand, dass die zu erwartende (und erhoffte) Zunahme von Prüfungen der Bundeszuständigkeit beim Generalbundesanwalt zu erheblichen Mehrbelastungen führen wird. Dies wird auf absehbare Zeit nicht durch entsprechende Entlastungen bei den

Landesstaatsanwaltschaften kompensiert werden können, denn durch den Wegfall des Merkmals der Bestimmtheit bei gleichzeitiger Anhebung der Verpflichtungen der Landesstaatsanwaltschaften zur Vorlage (§ 142a Abs. 1 Satz 1 GVG-E) entsteht ein nicht abzuschätzender Doppelaufwand: In den meisten Fällen leiten nach wie vor zunächst die Landesstaatsanwaltschaften die notwendigen Ermittlungen ein. Allerdings sind sie in Zukunft gesetzlich verpflichtet, schon beim Vorliegen der Möglichkeit des Anfangsverdachts einer in die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts fallenden Straftat diesem die Akten vorzulegen. Zugleich jedoch müssen die Staatsanwaltschaften der Länder die notwendigen Ermittlungen weiterführen, um Ermittlungsdefizite zu vermeiden. Die häufig sehr aufwendige Prüfung und Entschließung über die Zuständigkeit durch den Generalbundesanwalt ist – schon im Hinblick auf die vollumfängliche Justiziabilität seiner Entscheidung – umfassend und sorgfältig zu dokumentieren. Dies sowie die Einbindung und Begleitung der von den Landesstaatsanwaltschaften geführten Ermittlungen sowie die Notwendigkeit eigener Ermittlungen des Generalbundesanwalts werden zu erheblichen Mehrbelastungen beim Generalbundesanwalt in sachlicher, personeller und finanzieller Hinsicht führen. Ohne flankierende Verbesserungen in der personellen und finanziellen Ausstattung des Generalbundesanwalts wird die zu begrüßende Zielsetzung des Gesetzentwurfs daher nicht zu erreichen sein.

Unabhängig von der Frage des geschilderten Mehraufwands besteht jedoch aus hiesiger Sicht ein weiteres Problem: Da das Erfordernis einer die Bundeszuständigkeit auslösenden Staatsschutzqualität schon wegen der grundsätzlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eine herausgehobene Bedeutung haben muss, wird auch weiterhin nur in seltenen Fällen diese besondere Staatsschutzqualität bejaht werden können. Hiervon geht auch der Gesetzentwurf aus. Der Generalbundesanwalt wird also nach Prüfung des Sachverhalts zahlreiche Verfahren wieder an die Landesstaatsanwaltschaft zurückgeben, was die Gefahr von kosten- und zeitaufwendigen Verzögerungen mit sich bringen könnte und dem Beschleunigungsgrundsatz entgegenstünde.

Änderung des § 46 Abs. 2 StGB
Soweit mit dem Gesetzentwurf auch eine Änderung des § 46 Abs. 2 StGB verfolgt wird und – inhaltlich nahezu identisch mit dem in der 17. Wahlperiode eingebrachten Vorschlag (BR-Drs. 458/08) – vorgeschlagen wird, § 46 Abs. 2 StGB um die Wörter „besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende“ (Ziele des Täters) zu ergänzen, verweist der Deutsche Richterbund auf seine Stellungnahme vom Februar 2012. Darin wird ausgeführt:

„Die heutige Fassung des § 46 StGB verlangt eine Auseinandersetzung mit den Beweggründen und Zielen des Täters sowie dessen aus der Tat sprechenden Gesinnung ausdrücklich. Es stellt einen sachlich-rechtlichen Mangel des Urteils dar, wenn bei der Strafzumessung in den Urteilsgründen Umstände nicht abgewogen werden, die für die Bewertung des Unrechts- und Schuldgehalts im konkreten Fall von besonderer Bedeutung und von besonderem Gewicht waren. Die praktische Problematik erweist sich derzeit deshalb nicht darin, dass diese Motive nicht hinreichend berücksichtigt werden können. Vielmehr treten in der heutigen Rechtsprechungspraxis häufig Beweisprobleme auf, da die schulderschwerende Gesinnung in jedem Einzelfall nachzuweisen ist. Dabei ist auch für diesen Strafzumessungsgrund der Strengbeweis erforderlich, und es gilt der „in dubio pro reo“-Grundsatz. Dies würde auch bei einer Änderung der Strafzumessungsregeln gelten.

Wenn demnach kein zwingender Handlungsbedarf für eine weitere Klarstellung in den Strafzumessungsvorschriften des Strafgesetzbuches besteht, wird es begrüßt, dass nach dem Gesetzentwurf rassistische oder fremdenfeindliche Beweggründe für eine Straftat ausdrücklich als schulderschwerend zu berücksichtigende Umstände in § 46 StGB aufgenommen werden sollen, um damit ein rechtspolitisches Zeichen insbesondere gegen fremdenfeindliche Übergriffe zu setzen.

Der DRB gibt allerdings zu bedenken, dass sich die Formulierung „sonstige menschenverachtende“ in ihrer Bedeutung einzig bei Lektüre der Gesetzesbegründung erschließt. Danach sind insgesamt mit „menschenverachtend“ solche Straftaten gemeint, die sich gegen eine Person allein oder vorwiegend wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status richten. Die konkret genannten Kriterien (rassistisch und fremdenfeindlich) sollen dabei einen Anhaltspunkt geben, um den Begriff des Menschenverachtenden auszufüllen.

Diese Begründung birgt die Gefahr, dass Straftaten, die sich aus anderen Gründen gegen ein Opfer richten, nicht als „menschenverachtend“ im Sinne des Gesetzgebers erscheinen, mögen sie in ihrer Ausführung auch noch so brutal sein und das Opfer noch so sehr zum Objekt des Abreagierens des Täters machen. Dieser, vom Gesetzgeber definitionsbedingt erfolgte Ausschluss, erscheint gegenüber diesen Opfern nicht gerechtfertigt.

In der generellen Definition von „menschenverachtend“ offen, aber dem Ziel des Gesetzentwurfs entsprechend, empfiehlt sich daher die Formulierung „rassistische, fremdenfeindliche oder aus ähnlichen Gründen menschenverachtende“.“

An dieser Bewertung und den geäußerten systematischen Bedenken wird festgehalten.

Quelle: Deutscher Richterbund

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