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Allgemeines Strafrecht

Zeugnisverweigerungsrecht, Verlöbnis, Nullhypothese, KG Beschl. v. 11.11.2022 – 3 Ws 288/22 – 121 AR 232/22

  1. Steht in Frage, ob das durch eine Zeugin zur Begründung eines Zeugnisverweigerungsrechts behauptete Verlöbnis besteht, so ist es methodisch sachgerecht, ähnlich wie bei der Aussage-gegen-Aussage-Konstellation von einer Nullhypothese auszugehen. Diese besagt, dass das Verlöbnis zu dem von der Zeugin behaupteten Zeitpunkt und unter den von ihr genannten Bedingungen stattgefunden hat und fortbesteht.
  2. Ist die angefochtene Entscheidung durch das erkennende Gericht während laufender Hauptverhandlung getroffen worden, sind die Überprüfungsmöglichkeiten des Beschwerdegerichts mangels voller Kenntnis von deren bisherigen Ergebnissen eingeschränkt. Das Tatgericht ist daher veranlasst, das Beschwerdegericht in die Lage zu versetzen, seine Entscheidung über das Rechtsmittel auf einer hinreichend tragfähigen tatsächlichen Grundlage zu treffen.
  3. Enthält die tatrichterliche Nichtabhilfeentscheidung gegenüber der angefochtenen Entscheidung zusätzliche („nachgeschobene“) Erwägungen, so ist dies unschädlich, weil das Beschwerdegericht nicht nur eine („kassatorische“) Rechtsprüfung vornimmt, sondern unter Berücksichtigung des gesamten Prozessstoffs in der Sache („reformatorisch“) selbst entscheidet.
  4. Die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 70 Abs. 1 StPO erfordert, dass das Zeugnis „ohne gesetzlichen Grund“ verweigert wird. Dies bedeutet, dass der Beschluss auch dann nicht hätte erlassen werden dürfen, wenn der Beschwerdeführerin zwar kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO, aber ein (umfassendes) Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 Abs. 1 StPO zusteht und dessen Ausübung erklärt worden ist.
  5. Quelle: Burhoff, Newsletter 9/2023.

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