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Rechtswidrige Durchsuchungsanordnung, Beschlagnahmebeschluss, Beweisverwertungsverbot

Ist die Durchsuchungsanordnung mangels ausreichender Begründung rechtwidrig, hindert das die spätere Beschlagnahme der bei der Durchsuchung sichergestellten Unterlagen nicht, wenn die Ermittlungsakte bei Erlass der Durchsuchungsanordnung einen hinreichenden Tatverdacht belegte. Insoweit besteht kein Beweisverwertungsverbot.

Die Beschwerde wendet sich gegen einen Beschlagnahmebeschluss.

Am 9. Februar 2023 führte die Steuerfahndung beim Finanzamt X (Steufa) beim Beschwerdeführer (Bf.) eine Durchsuchung durch und stellte Unterlagen sicher. Grundlage hierfür war ein auf § 103 StPO gestützter Durchsuchungsbeschluss. Diesen hob die Kammer auf Beschwerde des Bf. auf und ordnete die Herausgabe der sichergestellten Asservate an (Beschluss vom 4. August 2023 – 12 Qs 57/23, juris).

Unter dem 14. August 2023 legte die Bußgeld- und Strafsachenstelle beim Finanzamt X (BuStra) dem Ermittlungsrichter beim Amtsgerichts Nürnberg eine Aufstellung einzelner Asservate vor, die bei der Durchsuchung sichergestellt worden waren, und beantragte deren Beschlagnahme. Der Ermittlungsrichter gewährte der Rechtsanwältin des Bf. hierzu rechtliches Gehör und erließ sodann am 26. Oktober 2023 einen antragsgemäßen Beschluss. Hiergegen wendet sich die Beschwerde. Sie meint, der Beschlagnahme stehe ein Beweisverwertungsverbot entgegen, weil der ursprüngliche Durchsuchungsbeschluss rechtswidrig gewesen sei.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Der zulässigen Beschwerde bleibt der Erfolg versagt.

1. Gegen die – isoliert betrachtete – Rechtmäßigkeit des unmittelbar angegriffenen Beschlagnahmebeschlusses bestehen keine Bedenken. Dessen Begründung legt in hinreichender Ausführlichkeit dar, worin die mutmaßlichen Straftaten liegen und worauf sich der Tatverdacht stützt; ebenso ist die potenzielle Beweisbedeutung der beschlagnahmten Asservate gegeben (zu den Anforderungen vgl. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 98 Rn. 8). Insoweit erhebt die Beschwerde auch keine Einwände.

Sie moniert allerdings, die Steufa habe entgegen der Anordnung der Kammer vom 4. August 2023 fast drei Monate die sichergestellten Asservate einbehalten, anstatt sie umgehend zurückzugeben. Das begründet die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses schon deshalb nicht, weil die BuStra unmittelbar nach Bekanntwerden des Beschlusses vom 4. August 2023 beim Ermittlungsrichter die Beschlagnahme beantragt und damit das ihr Mögliche getan hat, um eine neue Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der Asservate zu schaffen. Dass der Ermittlungsrichter der Rechtsanwältin des Bf. Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme gegeben und dann erst nach gewisser Zeit die Beschlagnahme angeordnet hat, stellt keine Obstruktion des Kammerbeschlusses seitens der Finanzbehörden dar.

2. Die Beschwerde argumentiert zentral damit, aus der Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses vom 30. Januar 2023 folge ein Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der sichergestellten Gegenstände, weshalb diese auch nicht beschlagnahmt werden dürfen.

Die Rechtswidrigkeit einer Beweiserhebung führt grundsätzlich nicht zu einem Beweisverwertungsverbot; dies gilt auch für Fälle einer fehlerhaften Durchsuchung. Ein Verwertungsverbot ist aber bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen worden sind, geboten. Das kommt in Betracht, wenn der Richtervorbehalt bewusst missachtet oder seine Voraussetzungen in gleichgewichtig grober Weise verkannt wurden (BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 2009 – 2 BvR 2225/08, juris Rn. 17; BGH, Beschluss vom 19. Juli 2023 – 5 StR 165/23, juris Rn. 30; Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 94 Rn. 21, je m.w.N.). Das ist nicht der Fall.

a) Liegt der Mangel des Durchsuchungsbeschlusses – wie hier – in seiner unzureichenden Begründung, so wird im Schrifttum teils ein Verwertungsverbot angenommen, weil das Fehlen einer eigenverantwortlichen Prüfung des Ermittlungsrichters sich der Umgehung des Richtervorbehalts annähere (Schmidt, StraFo 2009, 448, 451; ähnlich Krekeler, NStZ 1993, 263, 265; abl. etwa Schoreit, NStZ 1999, 173, 174 f.; Überblick zum Streitstand bei Tsambikakis in Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 105 Rn. 145). Auch in der Rechtsprechung wird vereinzelt ein Verwertungsverbot bejaht, wenn feststehe, dass der Ermittlungsrichter keine objektiv hinreichende Prüfung der Maßnahme vorgenommen habe (LG Paderborn, Beschluss vom 12. Juli 2021 – 02 KLs 3/19, juris Rn. 38).

b) Dem folgt die Kammer nicht. Vielmehr ist im Einzelfall aufgrund einer Abwägung des Interesses der Allgemeinheit an der wirksamen Strafverfolgung mit dem Interesse des Betroffenen an der Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu prüfen, ob der festgestellte Verfahrensmangel zur Annahme eines Verwertungsverbots nötigt (BGH, Urteil vom 17. Februar 2016 – 2 StR 25/15, juris Rn. 20; Menges in Löwe/Rosenberg, StPO, 27. Aufl., § 98 Rn. 77a; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 21 f., alle m.w.N.). Die Abwägung ergibt, dass das Interesse an der Verwertung der sichergestellten Unterlagen überwiegt.

Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Ermittlungsrichter hier ohne Weiteres einen ordnungsgemäßen Durchsuchungsbeschluss hätte erlassen können. Die Möglichkeit der hypothetisch rechtmäßigen Beweiserlangung ist im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2004 – 2 BvR 2009/03, juris Rn. 6), solange – wie hier – kein besonders schwerwiegender oder willkürlicher Verstoß vorliegt (KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 21; krit. SSW-StPO/Eschelbach, 5. Aufl., § 94 Rn. 49). So hat das LG Magdeburg, mit hiesigem Fall vergleichbar, eine Beschlagnahme bestätigt, obgleich der vorangehende Durchsuchungsbeschluss neben der Zitierung der Strafvorschrift keine Angaben zu dem diese ausfüllenden Lebenssachverhalt enthielt und der deshalb rechtswidrig war. Allerdings bestand dort, wie hier, nach Aktenlage ein ausreichender Anfangsverdacht (LG Magdeburg, Beschluss vom 14. November 2007 – 24 Qs 24/07, juris Rn. 4). Diese Entscheidung ist vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet worden, weil das Landgericht dargelegt habe, dass die Rechtswidrigkeit des Durchsuchungsbeschlusses ausschließlich auf einem Begründungsfehler beruht habe und dass der Durchsuchungsbeschluss bei ausreichender Begründung den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt hätte. Hieraus habe es in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise den Schluss gezogen, dass der Durchsuchungsbeschluss nicht an einem schwerwiegenden Mangel gelitten habe und auch nicht willkürlich erlassen worden sei (BVerfG, Beschluss vom 18. Februar 2008 – 2 BvR 2697/07, juris Rn. 6). So liegen die Dinge auch hier.

Bei Erlass des Durchsuchungsbeschlusses lag der Verdachtprüfungsvermerk der Steufa vom 21. Dezember 2022 in der Ermittlungsakte vor. Hieraus ergibt sich, gestützt auf dort im Einzelnen aufgeführte Indizien, dass der Beschuldigte über mehrere Jahre, teils als Einzelkaufmann, teils im Rahmen seiner oHG, in erheblichem Umfang im grenzüberschreitenden Gebrauchtwagenhandel tätig war und dabei erhebliche Umsätze generierte. Diese stehen in deutlichem Kontrast zu den in den Steuererklärungen angegebenen, sehr niedrigen bzw. negativen Einkünften. Der Verdacht erheblicher Steuerhinterziehungen (ESt, USt und GewSt) ist danach hinreichend belegt. Das öffentliche Interesse an der Aufklärung der mutmaßlichen Steuerhinterziehungen ist hoch. Belegt ist weiterhin, dass der Beschuldigte in relevanter Zeit über ein Konto des Bf. verfügte und letzterer mindestens über zwei Jahre dafür zuständig war, für den Beschuldigten die Fahrzeugverkäufe über eine Online-Plattform abzuwickeln. Daher war nach kriminalistischer Erfahrung damit zu rechnen, dass sich beim Bf. fallbezogene Unterlagen finden lassen (vgl. bereits LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 7. Juni 2023 – 12 Qs 24/23, juris Rn. 10). Der Ermittlungsrichter hat, anstatt diese Umstände in einem selbst formulierten Durchsuchungsbeschluss zu referieren, den von der Steufa vorgefertigten, unzulänglichen Beschlussentwurf unterschrieben. Das war fehlerhaft, aber nach Auffassung der Kammer nicht willkürlich. Eine bewusste Umgehung des Richtervorbehalts lag darin nicht, ebenso wenig ist dieser Fehler einer bewussten Umgehung wertungsmäßig gleichzusetzen.

3. Für die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Beschlagnahme ist, entgegen der Auffassung der Beschwerde, schließlich unerheblich, dass bereits in dem aufgehobenen Durchsuchungsbeschluss eine Beschlagnahmeanordnung enthalten war. So heißt es im Durchsuchungsbeschluss vom 30. Januar 2023:

„Sofern die Person, die ein Beweismittel in Gewahrsam hat, dies nicht freiwillig herausgibt, wird die Beschlagnahme angeordnet (§§ 98, 94 StPO). Die Beschlagnahme umfasst auch solche Beweismittel (gleich in welcher Form), die vor oder nach dem gegenständlichen Zeitraum entstanden sind…“

Diese Anordnung war mangels Bestimmtheit unwirksam (vgl. Köhler in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 98 Rn. 9) und ist daher, so oder ähnlich formuliert, in Durchsuchungsbeschlüssen regelmäßig zu vermeiden. Bei Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ist nämlich, soweit man nicht nach einem bestimmten Gegenstand sucht, regelmäßig unklar, was man später vor Ort finden wird. Die angegriffene Beschlagnahme setzt sich somit nicht über den Kammerbeschluss vom 4. August 2023 hinweg, der das rechtliche Nullum mitkassiert hat, sondern ist insoweit überhaupt die erste wirksame Entscheidung.

Burhoff, Newsletter 26/2023, LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 13.11.2023 – 12 Qs 72/23

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