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Übergangsvorschrift zum neuen strafrechtlichen Vermögensabschöpfungsrecht teilweise verfassungswidrig

Der BGH erachtet die Übergangsvorschrift zum neuen strafrechtlichen Vermögensabschöpfungsrecht in einem Teilbereich für verfassungswidrig.

Das LG Oldenburg hatte zwei Angeklagte von Vorwürfen des Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz freigesprochen. Darüber hinaus hatte es gegen die beiden von den Angeklagten geleiteten nebenbeteiligten Unternehmen die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen beschäftigte eines der nebenbeteiligten Unternehmen auf Vermittlung des anderen im Tatzeitraum vom 25.02.2008 bis zum 31.07.2010 insgesamt 933 bulgarische Arbeiter. Die dafür damals erforderlichen Genehmigungen der Bundesagentur für Arbeit waren nicht beantragt worden; vielmehr verschleierten die Angeklagten die Beschäftigungsverhältnisse mittels Scheinwerkverträgen. Die Arbeiter leisteten mehr als 830.000 Arbeitsstunden. Das Landgericht hatte die Feststellungen dahin gewertet, dass sich zwar die Angeklagten wegen Beschäftigung von Ausländern ohne Genehmigung in größerem Umfang nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 SchwarzArbG (bzw. der Beihilfe hierzu) strafbar gemacht hätten, insoweit jedoch ab dem 31.07.2016 Verfolgungsverjährung eingetreten sei. Gleichwohl sei gegen die nebenbeteiligten Unternehmen auf die Einziehung von Taterträgen zu erkennen, die sich zum einen auf den Wert der geleisteten Arbeitsstunden von mehr als 10,5 Mio. Euro, zum anderen auf den Erlös aus den Vermittlungsleistungen in Höhe von 72.000 Euro bemesse. Denn nach dem durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.04.2017 (BGBl. I S. 872) mit Wirkung zum 01.07.2017 geänderten Recht sei die Anordnung der selbständigen Einziehung von Erträgen auch aus verjährten Straftaten zulässig (§ 76a Abs. 2 Satz 1, § 78 Abs. 1 Satz 2, § 76b Abs. 1 Satz 1 StGB). Nach der Übergangsvorschrift des Art. 316h Satz 1 EGStGB sei das neue Recht rückwirkend auch auf Taten anwendbar, die vor dem Inkrafttreten begangen worden seien.

Der BGH hat die Revisionen der Staatsanwaltschaft verworfen, mit denen sich diese gegen die Freisprüche gewandt hat.

Auf die gegen die Anordnung der selbständigen Einziehung von Taterträgen gerichteten Revisionen der nebenbeteiligten Unternehmen hat er das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt: Ist Art. 316h Satz 1 EGStGB mit den im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und in den Grundrechten verankerten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbar, soweit er § 76a Abs. 2 Satz 1 StGB i.V.m. § 78 Abs. 1 Satz 2 StGB sowie § 76b Abs. 1 StGB jeweils in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 in Fällen für anwendbar erklärt, in denen hinsichtlich der rechtswidrigen Taten, aus denen der von der selbständigen Einziehung Betroffene etwas erlangt hat, bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung am 1. Juli 2017 Verfolgungsverjährung eingetreten war?

Nach Auffassung des BGH entsprechen zwar die Einziehungsentscheidungen des Landgerichts dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht, das nach Art. 316h Satz 1 EGStGB anzuwenden ist. Die Anwendung der Regelungen über die selbständige Einziehung von Taterträgen in Fällen, in denen nach altem Recht hinsichtlich der Vermögensabschöpfung bereits vor dem 01.07.2017 Verfolgungsverjährung – aufgrund deren Koppelung an die Verjährung der Tat – eingetreten war, verstoße nach der Überzeugung des BGH jedoch gegen das in der Verfassung verankerte grundsätzliche Verbot echt rückwirkender Gesetze.

Das Ziel, das der Gesetzgeber mit dem neuen Vermögensabschöpfungsrecht verfolge, strafrechtswidrig geschaffene Vermögenslagen zukunftsbezogen zu beseitigen, eröffne ihm einen weiten – freilich nicht unbegrenzten – Gestaltungsspielraum. Dieses Ziel legitimiere indes für sich noch kein echt rückwirkendes Gesetz. Der nachträglichen Anordnung der selbständigen Einziehung von Taterträgen aus bereits vor dem 01.07.2017 verjährten Taten stehe ein schutzwürdiges Vertrauen der Rechtsunterworfenen in die vor der Reform geltenden Verjährungsvorschriften entgegen. Sinn der strafrechtlichen Verjährungsvorschriften sei es, nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Zeit Rechtssicherheit herzustellen. Habe der Gesetzgeber das Gebot der Rechtssicherheit mit dem gegenläufigen Gedanken der materiellen Gerechtigkeit nach seinen Vorstellungen in einen angemessenen Ausgleich gebracht, so dürften sich die Betroffenen grundsätzlich darauf verlassen, dass er nicht im Nachhinein eine abweichende Abwägung vornehme und die ursprünglichen Verjährungsvorschriften rückwirkend für unanwendbar erkläre.

Vorinstanz
LG Oldenburg, Urt. v. 17.10.2017 – 2 KLs 950 Js 42953/10 (86/12)

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 30/2019 v. 07.03.2019

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